Der Dirigent hat nicht viel Arbeit
Gießen (hsch). Einen musikalischen Leckerbissen konnten die Besucher des Konzerts des Jugend-Kammerorchesters der Musikschule am Sonntag im Hermann-Levi-Saal goutieren. Martin Gärtner hatte das Repertoire mit ihnen einstudiert und dirigierte. Das Publikum war von der überraschend sicheren und engagierten Performance des Ensembles angetan: es war schon ein Ausnahmekonzert.
Lange hatten sich die jungen Teilnehmer auf diese Aufführung vorbereitet, und man sah ihnen die Anspannung und Konzentration an, als sie mit Jean Sibelius‹ »Andante festivo« loslegten. Gleich zeigte sich die Qualität der Vorbereitung im stabilen Gesamtklang und tadellosen Tutti – da wackelte nichts.
Die drei Sätze aus Vivaldis Sinfonia zur Oper »L›incoronazione di Dario« bildeten ein Glanzlicht des Konzerts. Mit korrektem Tempo wurde musiziert, die Dynamikgestaltung stimmte, und ein gut differenzierter Ausdruck erhöhte das Vergnügen der Zuhörer. Der zweite, ruhig gedachte Satz klang sanft, fast andächtig.
Aus der israelischen Partnerstadt Netanya wurde Naomi Shemers »Hoyt artzi moladeti« zum gemeinsamen Musizieren nach Gießen exportiert; eine leicht melancholische Melodiehaftigkeit wie in mancher Filmmusik prägte hier das Geschehen. Max Regers Lyrisches Andante war von sanftem, stabilem Gleiten und bot einen Topabschluss.
Scott Joplins Evergreen »Heliotrope Bouquet« haftete hier keine nölige Schwere an – man kennt das -, ist der abwechslungsreiche Titel doch nicht leicht ohne Charakterverwässerung zu spielen. Auffällig fröhliche Celli und ein anheimelnder Groove erfreuten zusammen mit stimmungsvollen Glissandi; hinzu kamen lebendige Geigen – richtig erheiternd.
Abbas »The winner takes it all« kennt jeder, aber als Streicher-Instrumental ist er dennoch kein Klacks. Homogen musizierten die Nachwuchskräfte, mit blutvoller Verve trafen sie auch den Charakter des nächsten Welthits »I have a dream«.
Martin Gärtner dirigierte aufmerksam, setzte zugleich Akzente und korrigiert zuweilen fast unmerklich: es kam keine Unruhe auf. An diesem Abend hatte er auch nicht viel Arbeit, sie war schon lange im Voraus erledigt worden. Die Akteure hielten ihre Konzentration auch sicher bis zum Ende des Programms: vorbildliches Musizieren und ein großes Vergnügen. Klar, dass es nach diesem Auftritt nicht ohne Zugaben abging.