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27.04.2020

Nur als Zwischenspiel geeignet

Musiklehrerin Susanne Oehler bringt ihrer Schülerin die Flötentöne per Laptop und Videochat bei. Den direkten Austausch kann diese Unterrichtsform jedoch nicht ersetzen. Foto: Lorenz Oehler

(von Ursula Hahn-Grimm, Gießener Anzeiger, Foto: Lorenz Oehler)
 GIESSEN. Seit sechs Wochen hält dieser Zustand nun schon an. Kein öffentliches Leben, keine Schule und auch der Unterricht in den Musikschulen fällt aus. Nun ist bereits die sechste Woche vorüber, in der wegen Corona Kontaktsperre gehalten werden muss und dementsprechend jeder gemeinsame Unterricht ausfällt.
Die Motivation des Nachwuchses hat darunter aber nicht gelitten. Die zwölfjährige Josephin Größer nimmt das Online-Angebot ihrer Flötenlehrerin Susanne Oehler von der Musikschule Gießen begeistert wahr. „Als das Foto aufgenommen wurde, habe ich gerade „My heart will go on“ aus dem Film „Titanic“ gespielt. Das Lied gefällt mir so gut“, schwärmt die Schülerin. Sie steht mit ihrer Lehrerin per Handy und Facetime über den Bildschirm in Kontakt, bereits zum vierten Mal nun seit dem Shutdown. „Ich spiele ihr das Stück vor, sie lobt mich, verbessert mich manchmal und zeigt mir, wie es richtig geht. Das klappt prima.“
Dennoch räumt sie ein, dass es etwas ganz anderes sei es, „wenn man persönlich Unterricht hat. Mit der Technik sind ja doch öfters mal die Verbindung gestört und die Töne verzerrt.“ Zum Schluss des Gesprächs betont Josephin: „Ich freue mich auf jeden Fall darauf, wenn es wieder richtig losgeht, wenn ich meine Lehrerin wieder treffe und wir neue Stücke ausprobieren können.
Ähnlich sieht das ihre Lehrerin Susanne Oehler. „Kinder sind ganz froh, wenn sie Input bekommen“, hat sie beobachtet. „Vorspielen, nachspielen, auf Fingersatzung und Haltung achten“, das sei auch über den Bildschirm durchaus möglich. Überhaupt einmal etwas anderes machen, das ist für alle Beteiligten in diesen Corona-Zeiten wohltuend. Und die Kinder und Jugendlichen seien froh, auch einmal mit jemandem Kontakt zu haben, der nicht zur Familie gehört.
Auf die Dauer sei der Online-Unterricht jedoch nicht als Alternative zum gemeinsamen Spielen und Lernen denkbar. Denn die Nachteile seien beträchtlich, erklärt die Lehrerin: „Die klanglichen Feinheiten sind nicht zu übermitteln.“ Je fortgeschrittener die Schüler sind, desto schwieriger werde es, per Computer zu unterrichten. Das Zusammenspiel sei ohnehin nicht möglich, außerdem ist für Susanne Oehler klar: „Irgendwann muss man die Kinder wieder sehen.“
Vor- und Nachteile kann auch Katja Marauhn, Leiterin der städtischen Musikschule Gießen, im Namen ihrer insgesamt 40 Kollegen bestätigen. „Für den Unterricht per Skype, Zoom oder ähnlichen Programmen brauchen Lehrkräfte und Schüler natürlich entsprechende technische Ausstattung mit Laptop und nicht zu schlechtem eingebauten Mikrofon.“ Dann können Lehrer und Schüler sich gegenseitig vorspielen. Das Problem sei allerdings, dass nicht alle Schüler, und auch nicht alle Lehrer, eine entsprechende Ausrüstung zur Verfügung hätten. „Wichtig ist vor allem, die Schüler weiter zu motivieren“, betont sie. Am Engagement der Lehrer fehlt es dabei nicht: Sogar in den Osterferien boten einige von ihnen wegen der vorausgegangenen Unterbrechung Online-Unterricht an.
„Noch ist die persönliche Begegnung nicht möglich. Anfang Mai könnte es aber so weit sein. Zumindest der Einzelunterricht könnte, unter Einhaltung der Hygiene- und Sicherheitsvorschriften, wieder starten“, hofft Katja Marauhn auf ein Ende des Online-Ersatzes. Der Landesverband der Musikschulen hat diese Öffnung in einem offenen Brief gefordert und steht dazu mit dem Kultusministerium in regem Austausch. „Denn gerade in diesen schwierigen und beängstigenden Zeiten kann Musizieren eine große Hilfe und ein emotionaler Ausgleich sein“, sagt die Musikschul-Leiterin.